Von Dorothee Dorschel:
Es ist ein Szenario, wie es sich für die 265 Groß-Umstädter Feuerwehrleute beinahe regelmäßig abspielt: Ein Notruf geht ein, die Leitstelle in Dieburg alarmiert aufgrund der Informationen eines meist aufgeregten, verängstigten Bürgers: „Brand in Wohngebäude mit Menschenleben in Gefahr!“ Unverzüglich wird die Rettungskette in Bewegung gesetzt. Was im konkreten Falle unlängst in den frühen Morgenstunden im Stadtteil Kleestadt hieß: Fünf Fahrzeuge allein von der Feuerwehr Groß-Umstadt/Mitte wurden zum Einsatzort entsendet, die verfügbaren Mitglieder von vier Stadtteilfeuerwehren zum Einsatzort gerufen. Mit „Sondersignal“, landläufig Martinshorn, und Blaulicht, deren Einsatz gesetzlich vorgeschrieben ist. Als nicht hinnehmbare Ruhestörung empfand allerdings eine Anwohnerin in Richen die ausrückenden Einsatzkräfte in den Morgenstunden. In Facebook wurde Unverständnis über die Lärmbelästigung durch Sondersignale geäußert, die Feuerwehrleute der Ruhestörung bezichtigt. Immer häufiger kommt es vor, dass sich Anwohner und Bürger von Rettungskräften im Einsatz belästigt fühlen.
„Wir sind dazu verpflichtet“, erklärt Stadtbrandinspektor Stephan Teich zum Einsatz des Martinshorns und verweist auf die Straßenverkehrsordnung. Wie es dort in Paragraf 35 heißt, müssen, wenn „Sonder- bzw. Wegerechte“ in Anspruch genommen werden, Blaulicht und Tonsignal vom Fahrtbeginn bis zum Fahrtende eingeschaltet sein. Denn das Blaulicht allein ist nur eine Warneinrichtung und verschafft kein Wegerecht.“ Ein Fahrer, der aus eigener Entscheidung das Martinshorn nicht einschaltet, handelt demnach fahrlässig und kann bei einem Schadensfall zur Haftung herangezogen werden.
„Wir können nicht beeinflussen, ob nachts oder tagsüber unsere Hilfe gebraucht wird“, bemerkt dazu der Stadtbrandinspektor. Doch Verbalattacken gegen die Rettungskräfte nähmen zu. Etliche Beschimpfungen hätten sich Groß-Umstadts Feuerwehrleute schon anhören müssen. Wieso eigentlich?
Einigen Menschen fehlt es an Einsicht
„Es ist definitiv nicht unsere Motivation, Anwohner zu ärgern“, betont Stephan Teich. „Man sollte immer dran denken, dass Leute dringend Hilfe brauchen, auf uns angewiesen sind. Und nicht, ob im Einsatzfall eine Einfahrt vom Feuerwehrfahrzeug zugeparkt ist oder eventuell ein Umweg in Kauf genommen werden muss.“ Deutlich erkennbar für Stephan Teich ist: „Das notwendige Verständnis fehlt bei dem ein oder anderen Mitbürger.“
Von Schattenseiten, verursacht durch den gesellschaftlichen Wandel, spricht der Stadtbrandinspektor: „Wir sind mit Dingen konfrontiert, da kann man nur noch den Kopf schütteln.“ Bei einem kürzlich erfolgten Rettungseinsatz, einer Tragehilfe aus einem Obergeschoss, habe sich jemand entrüstet beschwert, weil er nicht mit seinem Fahrzeug wegfahren konnte und warten musste. „Das stößt bei mir auf Unverständnis“, bedauert Teich. „Da ist einfach kein Einsehen vorhanden.“ So habe bei einem Wohnhausbrand ein Nachbar gefordert, die eigene Einfahrt frei zu lassen. Und am Rande des diesjährigen Winzerfestumzuges seien Einsatzkräfte von Verkehrsteilnehmern wegen der Straßensperrung angepöbelt worden.
Von fehlendem Respekt spricht der Stadtbrandinspektor ein ums andere Mal. Anmaßendes bis unverschämtes Verhalten demotiviere nicht nur, sondern frustriere die Einsatzkräfte. Es könne nicht angehen, dass man damit beschäftigt sei, „der Bevölkerung klar machen zu müssen, wofür wir eigentlich da sind“.
Nur noch den Kopf schütteln kann ebenso der oberste Dienstherr der neun Freiwilligen Feuerwehren in Groß-Umstadt, Bürgermeister Joachim Ruppert: „Jeder Fall ist es wert, dass die Feuerwehr ausrückt und hilft.“ In Gefahrensituationen müsse alles andere zurückstehen, habe die Feuerwehr das Recht auf ihrer Seite. „Wir sind dankbar für jeden, der Freude hat am Helfen.“ Es sei sicher nur eine Minderheit, die zum Beispiel in Facebook etwas poste. „Die Mehrheit nimmt die Feuerwehr aber positiv auf“, so Rupperts Einschätzung. Genau jene Minderheit aber macht der Feuerwehr zunehmend zu schaffen.
ANFEINDUNGEN
„In der Vergangenheit war das immer mal wieder ein Thema“, sagt Kreisbrandinspektor Heiko Schecker zu Anfeindungen gegenüber Feuerwehrleuten im Einsatz. Allerdings seien das immer Einzelfälle gewesen, die hier und dort mal hochgekocht seien. Eine generelle Wandlung der Einstellung gegenüber der Feuerwehr gehe damit aber in seinen Augen nicht einher. „Wenn einer aber nahe an einem Einsatzort wohnt, dann bekommt er das natürlich unmittelbar mit“, sagt Heiko Schecker, „aber Nachspiele juristischer Art hat es deshalb noch keine gegeben“. Auch er betont, dass das Sonder- und Wegerecht nur mit Martinshorn gegeben sei.